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CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) in der Behandlung von chronischen Depressionen
 

Im Gespräch mit Privatdozentin Dr. med. Dipl.-Psych. Angela Merkl-Maßmann, die das Team der Fliedner Klinik Berlin u.a. als zertifizierte Trainerin für das psychotherapeutische Verfahren CBASP bereichert, sprachen wir über die Behandlung von chronischer Depression und darüber, was CBASP dabei so wirksam macht.   

Was versteht man unter einer chronischen Depression und welche typischen Beschwerden, Symptome und Folgen bringt sie mit sich?

Die chronische Depression ist eine schwer beeinträchtigende psychische Störung, welche meist schon während der Kindheit durch traumatisierende Beziehungserfahrungen beginnt und aufgrund ihrer Therapieresistenz eine große Herausforderung für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen darstellt. In Deutschland leben schätzungsweise 1,2 Millionen chronisch depressive Menschen. Insgesamt können 25-30 % aller unipolaren Depressionen mit einem chronischen Verlauf eingestuft werden. Die meisten chronisch depressiven Patienten berichten, dass sie sich schon seit vielen Jahren bzw. seit der Kindheit depressiv fühlen.

Die Symptomatik der chronischen Depression unterscheidet sich im Vergleich zu rein episodischen Verläufen durch die Dauer. So sind die Patient:innen meist seit über 2 Jahren chronisch erkrankt. Zudem sind aber auch weitere spezifische Symptome vorhanden. Patient:innen haben Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion und können ein submissives und überfordertes, feindseliges und abwertendes Verhalten oder ein auffälliges Misstrauen in zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen.

Klassisch ist die nahezu unverrückbare Überzeugung, dass nichts getan werden kann, um die Depression unter Kontrolle zu bringen.

Oft stehen rigide und verfestigte Verhaltensmuster im Vordergrund, die weder durch positive, noch durch negative Ereignisse beeinflussbar zu sein scheinen. Diese führen dann bei den Therapeut:innen oft zu Frustrationen, da es weniger Therapieerfolge mit klassischen Methoden gibt.

Welche Behandlungsmöglichkeiten für chronische Depressionen gibt es?
 

Nach den S3-Leitlinien gibt es psychopharmakologische Verfahren, therapeutische Stimulationsverfahren, wie beispielsweise die Elektrokonvulsionstherapie und die psychotherapeutischen Verfahren. Mit am erfolgversprechendsten innerhalb der psychotherapeutischen Verfahren ist die kognitive Verhaltenstherapie, beziehungsweisedabei die dazu störungsspezifisch entwickelte Therapieform CBASP.

Was ist CBASP und wer kann dieses Therapiekonzept anwenden?

Das Therapiekonzept, das sich aus der Kognitiven Verhaltenstherapie entwickelt hat, mit dem etwas sperrigen Namen „Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy" (CBASP) ist ein relativ neues Behandlungsverfahren, das von Prof. James P. McCullough Jr. entwickelt wurde. Es ist bis heute weltweit der einzige psychotherapeutische Therapieansatz, der speziell für chronisch depressive Patient:innen konzipiert wurde. Anwenden können das Verfahren zertifizierte CBASP-Therapeut:innen, die entweder eine Ausbildung als  erhaltenstherapeut:innen oder als Tiefenpsycholog:innen gemacht haben.

Die CBASP verwendet dabei  wichtige psychologische Theorieansätze wie Piaget's Theorie der kognitiv-emotionalen Entwicklung, Kiesler's Modell zur Interpersonellen Theorie, Skinner's Erkenntnisse zur Bedeutung des operanten Lernens, Pawlow's Modell des respondenten Lernens, Bandura's Theorie sozialen Lernens sowie Seligmann's Modell der erlernten Hilflosigkeit.

Was macht  CBASP bei chronischen Depressionen so wirksam?
 

Zuerst muss man sich noch einmal das Bild des chronisch Depressiven vergegenwärtigen: Aufgrund der ungünstigen, traumatisierenden Sozialisations- und Lernerfahrungen kommt es bei den Patient:innen  zur Entkopplung der Wahrnehmung von der Umwelt, was korrigierende positive Lernerfahrungen erschwert. Daher wiederholen sich im Leben chronisch Depressiver immer wieder schwierige Beziehungserfahrungen, durch die eine chronische zwischenmenschliche Ineffektivität und schließlich die resistente Hilflosigkeit bzw. die therapieresistente chronische Depression getriggert und aufrechterhalten wird.

Die CBASP geht davon aus, dass bei chronisch Depressiven, die häufig einen „early-onset“ (Beginn der Erkrankung in der Kindheit) hat, eine Entwicklungsblockade vorliegt. Diese ist eine Folge von Misshandlungen (sexuell, physisch und psychisch), früher Verlusterfahrungen oder chronischer Vernachlässigung. Die dynamische Interaktion von Person und Umwelt ist durch diese interpersonell traumatisierenden Lebenserfahrungen gestört. Soziale Interaktionen verlaufen infolgedessen unbefriedigend und werden zunehmend vermieden. Die Betroffenen bleiben im kognitiv-affektiven Bereich auf einem präoperativen Entwicklungsstadium (im Sinne von Piaget‘s Entwicklungstheorie) stehen.

Die CBASP setzt sowohl an den Problemen der sozialen Interaktion als auch dem Aufbau neuer Fertigkeiten an: Mit Hilfe der Situationsanalyse lernen Patient:innen eine kausale Beziehung zwischen eigenen Verhaltens- und Denkmustern und den jeweiligen Konsequenzen herzustellen. In der Therapie werden demnach Situations- und Bedingungsanalysen erstellt. Mit deren Hilfe werden automatische persönliche kognitive und affektive Muster zu erkennen versucht, deren tatsächliche Konsequenzen analysiert, erwünschte Alternativen entwickelt und schließlich sozial kompetentes Interaktionsverhalten trainiert und erprobt werden.

Im Rahmen der interpersonellen Strategien wird eine auf die Bedürfnisse chronisch Depressiver adaptierte Rolle der Therapeut:innen realisiert. Dazu gehört, den Patient:innen zu helfen, zwischen alt vertrauten dysfunktionalen Beziehungsmustern und dem Verhalten der Therapeut:innen oder anderer Personen zu unterscheiden und dadurch negative Interaktionsmuster zu verändern. Therapeut:innen engagieren sich auf disziplinierte, verantwortungsvolle Weise persönlich (auch konfrontativ) in der therapeutischen Beziehung, um so in den Sitzungen Übertragungsprozesse zu fördern und gezielt interpersonelle „hot spots" anzugehen, Veränderungen zu ermöglichen und Modellwirkungen zu nutzen.

Wie läuft die Therapie ab?
 

Generell läuft die Therapie im Einzelsetting ab. Doch  auch Gruppensitzungen zum Erlernen assertiver Fertigkeiten sind möglich. Zu Beginn liegt der Schwerpunkt der Behandlung auf den situationsbezogenen und interpersonellen Vermeidungsstrategien von chronisch Depressiven. CBASP geht davon aus, dass es notwendig ist, Patienten beizubringen, ihre Lebensprobleme aus einer Person x Umwelt-Perspektive zu sehen. Das bedeutet, die Patient:innen müssen lernen, dass sie immer in einem Austausch mit ihrer Umwelt stehen. Solange die Vermeidung zwischenmenschlicher Situationen nicht überwunden wird, gibt es keine emotionale Veränderung der chronisch depressiven Stimmung. Denn zu Verhaltensänderungen, persönlicher Bestärkung und zu einer Verbesserung der dysfunktionalen Emotionsregulation kann es erst kommen, wenn diese Vermeidung überwunden wird.

Die wichtigsten therapeutischen Techniken des CBASP sind zum einen die spezifischen Situationsanalysen sowie daraus abgeleitete Verhaltenstrainings und zum anderen interpersonelle Strategien zur Gestaltung der therapeutischen Beziehung. Zudem benutzt die CBASP eine besondere Methode zur Erstellung sogenannter Übertragungshypothesen, indem sie vorerst prägende Bezugspersonen auflisten lässt und wesentliche „Stempel“ im Leben  erarbeitet, die Betroffene durch diese Personen erhalten haben.

Die Therapeut:innen sind hierbei keine neutralen Beobachter, sondern bringen sich auch immer wieder persönlich ein. Sie machen ein sogenanntes „self-disclosure“, und geben den Patient:innen kontinuierlich persönliche Rückmeldungen zu ihrem Verhalten. Alle Techniken, also das persönliche disziplinierte Rückmelden, das Erarbeiten von sogenannten Übertragungshypothesen und die Arbeit an der therapeutischen Beziehung, können bei entsprechender Anwendung zu kognitiv-emotionalen Entwicklungsschritten führen. Diese bringen die chronisch depressiven Patient:innen auf ein besseres Funktionsniveau und ermöglichen es ihnen, mit einer funktionaleren Selbststeuerung ihr Leben zu gestalten.

Wird CBASP auch bei anderen psychischen Störungen angewandt?
 

Ja, bei Patient:innen, bei denen eine chronische Depression und komorbide Störungen wie eine Substanzabhängigkeit (CBASP + Sucht), eine Posttraumatische Belastungsstörung oder Persönlichkeitsstörungen (z.B. ängstlich-vermeidend, Narzisstische Persönlichkeitsstörungen) haben, gibt es spezielle Manuale. Dabei ist jedoch die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung mit CBASP strikt ausgeschlossen und nur im Ausnahmefall zu empfehlen.

Weiterführende Informationen
 

Die Anforderungen für eine Ausbildung als CBASP-Therapeut:in sind hier beschrieben: https://www.cbasp-network.de/