Station 3 | Schwerpunkt

Angst- und Zwangserkrankungen und komorbider schädlicher Gebrauch psychoaktiver Substanzen

Station 3 bietet Patient:innen mit Angst- oder Zwangsstörungen die Mög­lichkeit einer intensiven Expositionstherapie an – auch im häuslichen oder sozialen Umfeld. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Behandlung von Substanzstörungen. Für jüngere Patient:in­nen gibt es zudem spezialisierte Angebote zur Bewältigung der Entwicklungsschritte in Richtung einer selbstständigen Lebens­führung. Neben klassischen Elementen der kognitiv-behaviora­len Therapie und der Motivierenden Gesprächsführung finden Elemente der Schematherapie und der DBT Anwendung.

 

Schematherapie im Fokus:

Die Schematherapie (nach Jeffrey Young) ist ein störungsübergreifendes, integratives Therapieverfahren, das auf eine individuell abgestimmte Weise dazu beiträgt, wieder mehr Lebensqualität erleben zu können. Verschiedene therapeutische Verfahren fließen in die Schematherapie ein: Kognitive Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Psychotherapie, Psychodrama und Gestalttherapie sowie Humanistische Therapie. Die Schematherapie gehört zu den Verfahren der sogenannten Dritten Welle der Verhaltenstherapie.

Mittels gefühlsaktivierender Techniken, wie z.B. Imaginationsübungen, sollen die eigenen „Lebensfallen” bzw. Schemata identifiziert werden, damit diese dann der eigenen Biografie zugeordnet werden können. Damit zusammenhängende negative Gefühle und Zustände, lassen sich gut als verschiedene innere Anteile oder auch „Modi“ begreifen, die unser Erleben und Handeln ausmachen. Darauf aufbauend wird gemeinsam mit den Patient:innen ein individuelles Störungsmodell erstellt.

Zentrale Ziele der Schematherapie sind einerseits das Verstehen der eigenen Gefühle, andererseits das Entwickeln von alternativen Verhaltensweisen. Es geht also darum, problematische Gefühle zu regulieren und unser Handeln so zu verändern, dass wir uns so verhalten, wie wir es eigentlich möchten. Dadurch wird ein zufriedeneres und mehr unseren Bedürfnissen entsprechendes Leben möglich.

Im Gespräch mit unseren Therapeut:innen:

Was sind Lebensfallen?

T. von Lenthe (Psychologische Psychotherapeutin, Stationspsychologin):
Lebensfallen bilden sich durch Erfahrungen, die wir bereits in der Kindheit und Jugend sammeln. Darauf basierend entwickeln wir Erlebens- und Verhaltensmuster, die sich ungünstig auf unsere Gefühle und unser Handeln im Hier und Jetzt auswirken können.

C. Charles (Psychologische Psychotherapeutin, Stationspsychologin):
Wir handeln dann unbewusst wieder und wieder nach „alten Regeln“, was zur Entwicklung von Symptomen einer psychischen Erkrankung beitragen kann.

Für wen eignet sich die Schematherapie?

Dr. N. Rakowsky (Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie, Stationsärztin):
Die Schematherapie wird für viele verschiedene psychische Belastungen und Störungen verwendet. Diese Therapieform kann dabei helfen, den Ursprung der eigenen Muster zu erkennen und zu verstehen. Dies bietet eine Chance, in der Gegenwart besser für die eigenen Bedürfnisse sorgen zu können. 

Wie wird Schematherapie in der Gruppe umgesetzt?

C. Charles:
Die Schematherapie bietet sich für den Gruppenkontext an, da die eigenen „Lebensfallen“ oder Schemata meistens in zwischenmenschlichen Situationen aktiviert werden. Im Gruppen-Setting können die Patient:innen in einem sicheren Umfeld und mit therapeutischer Unterstützung alte Strukturen erkennen, neue Verhaltensweise ausprobieren und dadurch korrigierende Erfahrungen machen.

T. von Lenthe:
Die Gruppe wird häufig als Stütze wahrgenommen, da Menschen mit vergleichbaren Schwierigkeiten zusammenkommen. So sieht sich der:die Einzelne nicht mehr als „anders“ und allein, sondern als Teil einer verständnisvollen Gemeinschaft.

Haben Sie selbst in der Arbeit mit diesem Ansatz etwas Neues, oder Überraschendes für sich und Ihre Arbeit dazugelernt?

Dr. J. Peters (Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie, Oberärztin): 
Wir alle tragen ja, unabhängig von psychischen Erkrankungen, bestimmte Schemata und Modi in uns. So ist es immer interessant und gewinnbringend, auch als psychisch gesunder Mensch, sich mit den eigenen Mustern auseinanderzusetzen.

Dr. N. Rakowsky:
Interessant ist für mich die Förderung des „glücklichen Kindmodus“. Ich habe erkannt, wie bereichernd es sein kann, nicht nur die gesunden Erwachsenenmodi, sondern auch die kindlichen und spielerischen Modi zu fördern. Der glückliche Kindmodus kann uns vor psychischen Schwierigkeiten schützen, da er sich durch Leichtigkeit, Neugierde, Spaß und Sicherheit auszeichnet.

T. von Lenthe:
Eine positive Erkenntnis war für mich, dass sich nicht nur die spezielle Symptomatik der Patient:innen verbessert hat, sondern auch das insgesamte Wohlbefinden und Selbstbewusstsein. 

Welche Menschen kommen zu Ihnen auf die Station?

Dr. J. Peters : 
Wir behandeln Menschen mit affektiven Störungen, Angst- und Zwangserkrankungen, sozialen Interaktionsstörungen oder Substanzstörungen. Das schematherapeutische Konzept können wir hierbei störungsübergreifend nutzen. 

Wie wird individuell auf mein Störungsbild eingegangen?

T. von Lenthe:
Unsere Behandlung richtet sich nach Ihrer Lebenssituation und Ihren individuellen Bedürfnissen. Vor diesem Hintergrund begegnen wir unseren Patient:innen auf Augenhöhe und erarbeiten gemeinsam Ihre Therapieziele und planen mit Ihnen Ihre Behandlung.
 
Dr. N. Rakowsky:
Wir wenden in unserer Arbeit empirisch validierte Interventionen an und passen diese auf die Bedürfnisse der Patient:innen individuell an. Je nach Störungsbild setzt sich der Behandlungsplan aus unterschiedlichen Modulen und Interventionen zusammen. 

C. Charles:
Bei Zwangserkrankungen kann ein Teil der Behandlung z.B. auch im häuslichen Umfeld der Patient:innen stattfinden, da expositionsbasierte Verfahren wirksam sein können. Bei sozialen Ängsten kann wiederum das Training der Sozialen Kompetenz und bei einer Substanzstörung die Substanzgruppe eine wichtige Ergänzung darstellen. 

Wie lange dauert ein therapeutischer Aufenthalt?

Dr. N. Rakowsky:
Das kommt ganz auf die individuelle Behandlung und die Art und Schwere der psychischen Störung an. Da es sich bei dem tagesklinischen Angebot um eine sowohl zeitlich als auch inhaltlich intensive Therapie handelt, kann von einem kürzeren Aufenthalt im Vergleich zu einer ambulanten Therapie ausgegangen werden. 

Was sind weitere Schwerpunkte, mit der sich die Station beschäftigt?

Dr. J. Peters : 
Ein weiterer Schwerpunkt der Station beinhaltet die Unterstützung von jungen Erwachsenen bei der Bewältigung von Lebensaufgaben in Richtung einer selbständigen Lebensführung. Die Life Skills-Gruppe beschäftigt sich explizit mit dieser Herausforderung. Neben der Schematherapie finden gut bewährte Elemente der kognitiv-behavioralen Therapie, der Motivierenden Gesprächsführung und weitere Therapieverfahren der sogenannten Dritten Welle, wie der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT), Anwendung.

C. Charles:
Häufig kann es im Rahmen von psychischen Belastungsreaktionen zu einer Substanzstörung kommen, wie z.B. einer Alkoholabhängigkeit. Hier legen wir großen Wert auf das Verstehen der Zusammenhänge als auch auf die Förderung und Festigung der Motivation. Wir unterstützen dabei Abstinenz zu erreichen, diese zu stabilisieren und erarbeiten eine Rückfallprophylaxe.

Was gefällt Ihnen an der Schematherapie?

C. Charles:
Ich bin von dem Schema-Modus-Konzept begeistert, weil hier verschiedene Techniken und Methoden aus den unterschiedlichen therapeutischen Richtungen zusammenkommen. Dabei steht die aktuelle Problematik mit den damit einhergehenden Gedanken und Gefühlen im Fokus, ebenso wie ihre Entstehung in der Biografie. 

T. von Lenthe:
Ganz besonders gefällt mir an der Schematherapie, dass das Modus-Modell intuitiv ist und von den Patient:innen gern angenommen wird. Es ist beeindruckend mitzuerleben, wie die Patient:innen lernen sich selbst zu regulieren, indem sie sich z.B. selbst trösten oder fördern.

Leseempfehlung: G. Jacob, H. van Genderen und L. Seebauer (2011): Andere Wege gehen. Lebensmuster verstehen und verändern – ein schematherapeutisches Selbsthilfebuch. Beltz-Verlag