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01.10.2018 13:10

Demenz ist auch Leben - Wie Familie Dombrowski dank Familialer Pflege die Krankheit meistert

„Das ist das Leben“, sagt Arnold Dombrowski, lacht und greift zum Zucker für seinen Kaffee. Von außen ahnt man nicht, dass der 72-jährige unheilbar erkrankt ist. An Gesprächen beteiligt er sich gern, erst nach einiger Zeit bemerkt man widerkehrende Phrasen und Redewendungen. Der von Familie und Freunden liebevoll „Nöldes“ genannte Familienvater hat Demenz. „Eines Tages konnte er bei der Renovierung unserer Wohnung die Lampe nicht mehr anschließen“, berichtet Ehefrau Maria-Theresia Dombrowski. Ein Schlüsselerlebnis, denn ihr Ehemann ist gelernter Starkstrom-Elektriker, nie wurde ein Handwerker für Arbeiten im und am Haus benötigt. „Unsere Sorgen wurden leider bestätigt.“ Demenz, für die Familie ein Schock, nicht nur der schleichende Verlust der Persönlichkeit, sondern auch die oft unzureichenden Antworten im Hilfesystem. „Vieles mussten wir uns selbst zusammensuchen“, erklärt Maria-Theresia. Den Höhepunkt der familiären Belastung gab es dann 2017. Sie lag mit einer Hüft-OP im Krankenhaus, er war zur Kurzzeitpflege im Fliedner Krankenhaus – die Rückkehr ins Zuhause konnte auch die berufstätige Tochter nicht alleine regeln. „Dann haben wir Herrn Görgen und das Team der Familialen Pflege im Fliedner Krankenhaus kennengelernt“, schildert Maria-Theresia.
 

Es geht um Mut, Halt und Haltung
Frank Görgen ist mit drei Kolleginnen im Fliedner Krankenhaus Ratingen für das Modell-Projekt der Uni Bielefeld und der AOK zuständig. Das Angebot ist an Krankenhäusern für Patienten aller Kassen nutzbar. „Bis zu sechs Wochen nach dem Klinikaufenthalt können wir helfen“, erklärt Frank Görgen. Es geht um Entlastungsmöglichkeiten, die Netzwerkbildung innerhalb und außerhalb der Familie, aber auch um mehr. „Wir sind auch mal Seelsorger.“ Das Team in Ratingen kommt ins Zuhause, sucht nach Stolperfallen, bestellt mit Angehörigen notwendige Pflegemittel, bringt Klarheit in das Puzzle. Familie Dombrowski ist froh über die Unterstützung. „Es ist jemand da, der sich um uns kümmert, der uns nicht alleine lässt und die Situation versteht“, fasst es Maria-Theresia Dombrowski zusammen. Halt geben ihr auch die Kurse und Angehörigengruppen, die über das Fliedner Krankenhaus Ratingen betreut und koordiniert werden. Betroffene tauschen sich aus, helfen sich gegenseitig, tanken Kraft und Mut. „Noch immer ziehen sich zu viele aus dem Leben zurück oder vergessen es, sich auch mal um sich selbst zu kümmern.“ Erledigungen ohne ihren Mann, weil Außenstehende sich wundern könnten – für Maria-Theresia kein Thema. Auch wenn sie sagt, „dass ich selbst viel lernen musste“. Zum Beispiel an sich selbst zu denken, wenn sie mit ihren Freundinnen schwimmen gehen möchte. Dann übernehmen andere aus dem Netzwerk. „Entweder die Familie oder Pflegedienste, viele nutzen auch das Angebot einer Tagespflege“, so Frank Görgen.
 

Das Angebot der Familialen Pflege am Fliedner Krankenhaus Ratingen wurde gerade erst von den Projektpartnern Uni Bielefeld und AOK gelobt. Kaum ein Krankenhaus betreut so viele Fälle mit einer so hohen Qualität. „Wir stehen jetzt bei 264 betreuten Patienten und Angehörigen“, freut sich Pflegedienstleitung Cordelia Siegmund. Eine Anerkennung für die gute Arbeit, vor allem aber ein weiteres Argument: Demenz ist im Alltag allgegenwärtig und gehört zum Leben dazu.