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05.03.2018 11:03

Hilft Cannabis gegen ADHS? - Fortbildungsveranstaltung in der Fliedner Klinik Stuttgart klärt über Mythen auf

In zahlreichen Online-Foren empfehlen sich von ADHS betroffene Jugendliche und junge Erwachsene gegenseitig Cannabiskonsum zur Minderung der mit der Störung einhergehenden Symptome. Das zentrale ADHS-Netzwerk rät jetzt dringend von dieser Praxis ab. ADHS-Experte und Chefarzt der Fliedner Klinik Gevelsberg, Dr. med. Marc-Andreas Edel erklärt: „Wir haben keinen Beleg für die positiven Effekte von regelmäßigem Cannabiskonsum. Im Gegenteil. Zahlreiche Studien belegen, dass regelmäßiger Konsum mit einem erhöhten Auftreten von depressiven Störungen, weiterem Substanzmissbrauch und schlechteren kognitiven Leistungen einhergeht.“ Am kommenden Mittwoch, den 7. März 2018, ist Marc-Andreas Edel als Referent in der Fliedner Klinik Stuttgart zu Gast, um über die ADHS bei Erwachsenen aufzuklären und mit gängigen Mythen aufzuräumen.

 

Wer an die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) denkt, dem erscheint zunächst der sprichwörtliche Zappel-Philipp, der Lehrpersonal und Eltern mit Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit beansprucht. Dabei ist ADHS keine Symptomatik, die einzig bei Kindern auftritt. Rund 60 Prozent der Betroffenen zeigen auch nach der Pubertät noch Anzeichen, die ihr Leben wesentlich beeinflussen. Wichtig sei, so ADHS-Experte Edel, dass die Störung als solche erkannt und behandelt wird. Zahlreiche Mythen stehen dabei aber oft im Wege. Dazu gehört zum Beispiel die Folgende Annahme:

 

„ADHS ist doch keine richtige Diagnose, sondern ein Begriff der Pharmaindustrie, die Geld machen will!“

 

Bei Marc-Andreas Edel, der in seiner beruflichen Laufbahn viel über ADHS geforscht hat, stellen sich bei dieser Aussage die Nackenhaare auf. „ADHS ist eine der am besten erforschten psychiatrischen Diagnosen, die in beide weltweit wichtigen psychiatrischen Diagnose-Systeme (ICD-10 und DSM-IV/5) aufgenommen wurde.“ Auch das Pharmaargument sieht er als wenig hilfreich. „Es stimmt, dass die Pharmaindustrie Gewinne auch mit Stimulanzien macht. Studien belegen aber die Wirksamkeit der Substanzen. Das zeigen auch meine persönlichen Erfahrungen: Betroffene erleben dadurch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität und darauf kommt es letztlich an.“ Weil für den Psychiater der Mensch im Mittelpunkt seiner Arbeit steht, kritisiert er einen weiteren Mythos besonders scharf:

 

„Menschen mit ADHS-Diagnose rechtfertigen ihre Faulheit damit und sind für verschiedene Berufe ungeeignet.“

 

„Das ist eine Unterstellung mit weitreichenden Folgen“, erklärt Edel. „Betroffene wollen sich konzentrieren, strukturieren oder regulieren, um mit anderen gut zurecht zu kommen und den Beruf auszuüben, den sie frei gewählt haben.“ Anzunehmen, sie bemühten sich nicht wirklich, hieße hingegen, den Betroffenen in seinem Leiden nicht ernst zu nehmen. Gut therapiert können Betroffene eigentlich jeden Beruf erfolgreich ausüben. Außerdem verstelle dies einen wichtigen positiven Aspekt der Symptomatik, die mit der Diagnose ADHS einhergehe, so Edel: „Betroffene zeigen besondere Fähigkeiten wie Begeisterungsfähigkeit, Kreativität oder Beharrlichkeit. In bestimmten Berufszweigen können sie besonders ‚zur Blüte gebracht‘ werden.“

 

„Also ist ADHS ein Lebensthema?“

 

„Ja und nein. Die Störung verschwindet auch nach einer Therapie nicht einfach“, sagt ADHS-Experte Edel. „Meiner Erfahrung nach reicht es in den meisten Fällen aber, wenn eine medikamentöse Therapie nur einige Jahre lang durchgeführt wird. Es gibt außerdem gute ergänzende Ansätze, die das symptomfreie Leben möglich machen.“ Grundsätzlich gilt „mit einer Diagnose haben Betroffene ein Erklärungsmodell für leidvolle Erfahrungen mit der Störung und haben auch bei Begleiterkrankungen bessere therapeutische Möglichkeiten. Das ist entlastend.“

 

Am Mittwoch, 7. März 2018, referiert Dr. med. Marc-Andreas Edel mit seinem Vortrag „ADHS bei Erwachsenen“ in der Fliedner Klinik Stuttgart. Die Veranstaltung ist ausgebucht. Den Vortrag können Sie unter info.fliednerklinikstuttgart@fliedner.de anfragen.