Auch als Bewohnerin bleibt Ingrid Obermann gern Vorlesepatin im Friedensheim der Theodor Fliedner Stiftung – ihrem Lebensmotto „be relaxed“ bleibt sie ebenfalls treu. Ein bisschen wohnlicher soll es noch werden. Ingrid Obermann ist ja auch erst vor ein paar Tagen eingezogen. Die Bilder lehnen noch an den Wänden. Eine gute Bekannte ist Innenarchitektin und wird ihr bei der Möblierung helfen. Aber den Blick ins Grüne aus dem kleinen Erker genießt sie jetzt schon. „Das ist wirklich sehr schön.“ Auch wenn ihr die Nordsee nach 50 Jahren im Rheinland dann doch immer noch ein bisschen fehlt.
„Be relaxed“ steht auf dem Shirt der 88-Jährigen. Danach gefragt, bestätigt Ingrid Obermann, dass sich das Motto durchaus durch ihr Leben zieht: ob in ihrem Beruf als Lehrerin, als Politikerin, als begeisterte Tanzsportlerin… „Reg dich nicht auf, wenn es nichts bringt.“ Da war und ist es ihr immer wichtiger, sich einzubringen, um Dinge zu bewegen. „Wenn politische Entscheidungen nicht nachvollziehbar sind, kann man nur etwas verändern, wenn man selbst aktiv wird. Viele Jahre war Ingrid Obermann Ratsmitglied und auch stellvertretende Bürgermeisterin von Haan. „Ich habe dadurch Lebensfelder kennengelernt, die mir sonst verschlossen geblieben wären. Und dabei haben viele menschliche Begegnungen mein Leben bereichert“, sagt sie rückblickend.
Vielen Mitbewohner im Friedensheim der Theodor Fliedner Stiftung ist die 88-Jährige daher nicht unbekannt. Und auch Ingrid Obermann kennt viele Menschen im Haus. Das Lesen ist nicht nur von Berufswegen ihre Leidenschaft. Sie liebt es vorzulesen und hat dies auch viele Jahre im Friedensheim getan, als Vorlesepatin. Und wird das auch weiter tun. Kurz nach ihrem Einzug stand Peter und der Wolf auf dem Programm einer Pflegerin. „Wir planen jetzt schon für Weihnachten“, schmunzelt sie. „Hier im Friedensheim erleben unsere Bewohner und Mitarbeitenden jeden Tag, was es bedeutet, Teil einer großen Familie zu sein,“ sagt Einrichtungsleiterin Gisela Neldner. Apropos planen: Das mag die gebürtige Norddeutsche auch sehr. „Meine Geburtstage habe ich oft unter ein Motto gestellt“, erzählt sie. Wie zum Beispiel den Wilhelm-Busch-Abend mit Witwe-Bolte-Essen. Auch für ihren 90. Geburtstag geht sie schon in die Planung „so es fern mir gut geht“.
Dass sie nun umgezogen ist und ein anderes Leben lebt als vorher, ist eine Entscheidung, die gewachsen sei, sagt sie. Und während sie erzählt, geht die Tür auf. Eine Mitarbeiterin legt ihr ein paar kleine Einkäufe auf den Tisch. „Brauchen Sie noch was?“ und verschwindet wieder mit einem Lächeln. „Das ist ein toller Service“, sagt Ingrid Obermann. „Man wird hier wirklich umsorgt und verwöhnt. Die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die ich erfahre, sind einfach schön. Ich habe freundliche Menschen um mich herum.“ Und sogar welche, mit denen sie sich auf Französisch unterhalten kann. Wie beispielweise mit dem jungen Praktikanten aus Tunesien. „Das freut mich. So kann ich mein Französisch noch ein wenig frisch halten“, lacht sie. Be relaxed – es scheint ein Motto für ein zufriedenes Leben zu sein.