Türchen 18:

Niclas Kurzrock - Abteilung Kommunikation, Theodor Fliedner Stiftung

Weihnachtsrituale

Ich erinnere mich noch heute an die Rituale um die Weihnachtstage in meiner Kindheit. Am Nachmittag gingen wir mit der Familie in den Gottesdienst, um uns mit festlichen Weihnachtsliedern, dem spannenden Krippenspiel der Kinder und den lieben Wünschen der Gemeinde auf den Heiligen Abend einzustimmen. Zuhause angekommen musste ich schnell aufs Zimmer, dann wurde die Glastür zum Wohnzimmer mit einem großen Laken abgehangen und ich wusste: das Christkind tat sein aufregendes Werk. Ich vertrieb mir die Zeit mit dem Einüben von Weihnachtsliedern oder -geschichten, die ich später vortragen wollte, doch die Spannung war stets kaum auszuhalten. Dann endlich war es Abend. In der Dunkelheit sah man die Beleuchtung der Nachbarn, die Melodien klassischer Weihnachtslieder erfüllten die Wohnung und der Geruch von Zimt und Orangen lag in der Luft. In andächtiger Stille betrat ich das Wohnzimmer, sah den farbenfrohen Christbaum, das liebevoll dekorierte Zimmer und riss die Augen auf, staunte, was das Christkind alles getan hat.

Dies war unser Ritual und noch heute gehören Rituale fest zum Fest. Im Laufe der Zeit ist mir mehr und mehr bewusst geworden, dass Rituale weit mehr sind, als es in der trockenen Begriffserklärung beschrieben steht: „Wiederholtes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung.“ Rituale wie der Gottesdienst am Heiligen Abend geben denjenigen Kraft und Energie, die alleine, krank oder traurig sind. Rituale wie das Anzünden der vier Kerzen im Advent geben Orientierung, wenn es in der Reklame flimmert, flackert und die Wünsche sprießen. Durch das Basteln, Backen oder Aufstellen des Weihnachtsbaumes geben Rituale auch Halt und Sicherheit in einer trubeligen und stressigen Zeit und schaffen Momente der Entschleunigung. Rituale sind wie der „Zeitlupenknopf“ auf der Fernbedienung. Also, drücken wir ihn doch öfter mal.

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